Damals war das Sofortbild die Avantgarde der analogen Fotografie. Jenseits der reinen Zweckdienlichkeit der schnellen Sichtbarkeit des Sofortbildes entstand eine eigene Ästhetik, umgeben von der Aura des Magischen, geboren aus dem Moment, in dem das Bild langsam vor den Augen des Betrachters aufblühte.
Für den zeitgenössischen Rezipienten ist das Sofortbild aber ein Relikt aus der Vergangenheit. Im Privatgebrauch hat es seine Bedeutung völlig verloren. Es begegnet uns als Erinnerung an eine vergangene Zeit. Es ist ein Zeitdokument.
Michael Rippl löst diesen nostalgischen Geschmack auf. Er trennt das reine Material von seiner kulturhistorischen Bedeutung und verarbeitet beide als Einzelzutaten in seinen Bildern.
Michael Rippl ist mit seiner Sofortbildkamera nie in der „echten Welt“ unterwegs. Seine Motive haben alle schon mindestens einen medialen Filter durchlaufen, bevor Rippl sie mit seinem Medium untersucht.
Dabei spielt er sehr überlegt mit den kulturellen Konnotationen verschiedener Formen der Bildfindung. Er arbeitet die ambivalente Wirkweise des Sofortbildes heraus, indem er die malerische, verzerrende Bildästhetik des Polaroids der scheinbar unmanipulierbaren Unmittelbarkeit des Sofortbildes gegenübersetzt.
Das Polaroid, in seiner spezifischen ästhetischen Erscheinung, tut also gar nicht erst so, als wäre es echt, als könne es Wirklichkeit abbilden. Es distanziert sich über seine Rohheit vom Motiv. Andererseits atmet kein anderes fotografisches Material so sehr den Hauch des Authentischen. Es muss so gewesen sein! Seine Motive, die dem Fernsehen, Fotografien oder digital generiertem Ausgangsmaterial entnommen sind, werden durch seine Bearbeitung „echter“.
In einem seiner Bilder begegnet uns Gina. Wer ist Gina, fragen wir uns, und werden erst im nächsten Moment gewahr, dass es sich um eine digital generierte Figur handelt. Erst durch die Verwandlung durch das Polaroid wird Gina zur Person, zum echten Menschen.
Er fragt also nach der Glaubwürdigkeit des Bildes. Obwohl, zu Recht, in Frage gestellt werden kann, ob die Bezeichnung „Fotografie“ für Michael Rippls Bilder zutreffend ist, so beschäftigt er sich doch zweifelsfrei mit der zentralen Frage der Fotografie, nämlich der Frage nach Echtheit, Originalität und Authentizität.
Gleichzeitig reduziert er seine Motive auf ihren allgemeingültigen Gehalt. In seiner Serie Fünf Ansichten einer Insel zeigt er uns nicht die spezielle thailändische Insel, deren Fotografie ihm als Motivvorlage diente, sondern konfrontiert uns mit dem Archetypus einer Insel, die als metaphorisches Bild jederzeit in unserem kulturellen Gedächtnis abrufbar ist. Er entfernt so aus seinen Fotografien jeden dokumentarischen Moment und kondensiert die Bilder auf ihren symbolischen Wert.
Die Illusion ist das zentrale Thema der Arbeiten Michael Rippls. Glaube nicht, was du siehst! Traue deinen Augen nicht! Seine Malereien sind keine Malereien, seine Fotografien sind keine Fotografien.
Unsere Erwartung an Malerei im Gegensatz zu unseren Erwartungen an Fotografie spielt Rippl gegeneinander aus und wirft uns auf unsere Täuschbarkeit zurück. Gleichzeitig verführt er uns durch eine Ästhetik, in deren Struktur wir uns verlieren.
Franziska von den Driesch 2014
Michael Rippl
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