Es ist heute schon ein Gemeinplatz, dass Wirklichkeit im Kopf entsteht. Wie selbstverständlich wird diese Erkenntnis oft als die eigene vorgetragen, um dann doch die eigene Wirklichkeit wie eine allgemeingültige Wahrheit zu behandeln; schon an der Aufgabe, andere Sichtweisen als alternative Wirklichkeiten zu erkennen, scheitert die Erkenntnis.
Was ist Wirklichkeit? Nur was ich kenne, kann ich erkennen. Sehe ich etwas, das ich nicht kenne, stellt es sich mir auf Grundlage des mir Bekannten als etwas dar, das ich glaube verstehen zu können. Die Eingeborenen Südamerikas konnten die Schiffe der Spanier nicht erkennen – sie sahen immer nur Wellen. Wenn Wirklichkeit aber nur in der Vorstellung existiert, ist es müßig darüber zu diskutieren, ob – und vor allem wie genau – sich Wirklichkeit abbilden lässt. Tatsächlich entsteht die Wirklichkeit in jedem Augenblick aufs Neue und verändert sich mit hinzukommendem Wissen. Nicht, dass die Wirklichkeit dadurch „kompletter“ würde, „näher heranrücken“ könnte an eine imaginäre „Wahrheit“. Und doch erhebt sie den Anspruch: wer viel weiß und viel erfahren hat, gilt als Autorität und maßt sich nicht selten eine Deutungshoheit an, die als Leitlinie zu gelten hat im Verständnis der Welt.
Fotografie bildet demnach nicht ab. Das Motiv entsteht im Kopf des Betrachters: es ist seine Wirklichkeit. Das Foto selbst ist wiederum Motiv des Betrachters, der Vergleich zwischen beiden Motiven gedankliche Arbeit.
M. S. 2014
Michael Rippl
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